Wärmebedarf von Gebäuden

Wie viel Energie ein Gebäude für Heizung und Warmwasser benötigt, hängt von Bauweise, Alter und Sanierungszustand ab. Ein hoher Wärmebedarf bedeutet oft hohe Heizkosten und klimaschädliche Emissionen – gleichzeitig birgt er großes Einsparpotenzial. Durch Dämmung, moderne Heizsysteme und erneuerbare Energien lässt sich der Verbrauch deutlich senken. Eine datenbasierte Analyse hilft dabei, Sanierungsstrategien zu entwickeln und effiziente Wärmelösungen umzusetzen. Gerade in Baden-Württemberg ist die Reduzierung des Wärmebedarfs ein wichtiger Baustein für die Energiewende.

Allgemeine Informationen

Eine Energiewende ist ohne Wärmewende nicht möglich. Eine wichtige Schlüsselrolle kommt dabei der Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden zu. Die Ermittlung des Wärmebedarfs vor Ort ist hierbei ein notwendiger Schritt zur Entwicklung von Energieeinsparkonzepten.

Mögliche Strategien zur Verbesserung der Wärmeeffizienz in Gebäuden reichen von der Sanierung einzelner Gebäude und/oder ganzer Quartiere, dem Auf- und Ausbau von Wärmenetzen, bis hin zur effizienteren dezentralen Bereitstellung und Nutzung von Ressourcen für die Wärmeerzeugung. Die Ermittlung des Wärmebedarfs vor Ort ist hierbei ein notwendiger erster Schritt zur Entwicklung von Energieeinsparkonzepten.

Der Wärmebedarfsatlas stellt den Wärmebedarf von Gebäuden landesweit auf verschiedenen räumlichen Ebenen (vom Baublock bis zum Land) dar. Er wurde mit Hilfe eines automatisierten Berechnungsverfahrens auf Einzelhausebene ermittelt und anschließend aus Gründen des Datenschutzes auf Baublockebene aggregiert. Es lassen sich damit Quartiere identifizieren, die im Falle einer Sanierung lohnende Energieeinspar- und Effizienzpotentiale erbringen könnten.

Als Planungsgrundlage für Sanierungs- und Energieerzeugungskonzepte eignet sich der Wärmebedarfsatlas jedoch nicht. Für konkrete Planungen sind nach wie vor detaillierte Vororterhebungen und -messungen erforderlich. Insbesondere stehen Daten über wärmebedarfsmindernde Maßnahmen an Gebäuden (z.B. Gebäudedämmung), die in der Zeit nach ihrer Errichtung durchgeführt wurden, für die Berechnungen im Wärmebedarfsatlas nicht zur Verfügung.

Welche gesetzlichen Vorschriften sind relevant?

Mit dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) setzt sich das Land das Ziel, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen um 65 % zu verringern und bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein. Um die angestrebten Klimaziele erreichen zu können, muss der auf den Gebäudebereich entfallende Anteil des Energiebedarfs deutlich gesenkt und der verbleibende Bedarf weitestgehend durch erneuerbarer Energien gedeckt werden. Wichtiges Planungsinstrument, um diese Ziele zu erreichen, sind die kommunalen Wärmeplanungen. Bei der Erstellung dieser kann der Wärmeatlas unterstützen.

Das Gebäudenergiegesetz (GEG) verpflichtet seit Januar 2024 zum Umstieg auf Erneuerbare Energien beim Einbau neuer Heizungen. Spätestens bis zum Jahr 2045 soll so die Nutzung fossiler Energieträger im Gebäudebereich beendet werden.

Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) des Landes verfolgt das Ziel, die effiziente Nutzung von Energie in Baden-Württemberg zu steigern, die dafür notwendigen Technologien weiter auszubauen und die Nachhaltigkeit der Energieversorgung im Wärmebereich weiter zu verbessern. Das Gesetz gilt für alle am 1. Januar 2009 bereits bestehenden Gebäude. Es verpflichtet Eigentümerinnen und Eigentümer, beim Austausch oder nachträglichen Einbau einer Heizanlage mindestens 15 % des jährlichen Wärmeenergiebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken oder den Wärmeenergiebedarf um mindestens 15 % zu reduzieren.

Wie viel Energie verbrauchen Haushalte?

In Baden-Württemberg entfallen nahezu 32 % des Endenergieverbrauchs auf private Haushalte (Stand 2022, Energiebericht 2024 des Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft), wobei davon allein für Raumwärme und Warmwasserbereitung etwa 80 % aufgewendet werden. Eine wesentliche Rolle hierbei spielen die überwiegende Anzahl älterer Gebäude, die vor der im Jahr 1977 in Kraft getretenen 1. Wärmeschutzverordnung (WSchV) gebaut wurden. Im Vergleich zu einem nach dem aktuellen Gebäudeenergiegesetz (GEG 2020) erstellten Neubau benötigen diese Gebäude vier Mal so viel Energie pro Quadratmeter Wohnfläche zur Beheizung.

Daten und Kriterien

Folgende Datenquellen wurden für die Erstellung des Wärmeatlas genutzt:

Seit 2022 stehen Gebäude im Level-of-Detail 2 zur Verfügung. Dabei handelt es sich um insgesamt 6,4 Millionen Gebäudegeometrien inklusive Dachformen (Stand Dezember 2024). Zusätzlich zu den Geometrien enthalten die LOD2-Daten auch Angaben zur Nutzung, beispielsweise werden Garagen und Gartenhaus unterschieden. Die Daten liegen im City-GML-Format vor. Weitere Informationen zu den 3D-Gebäudemodellen finden sie auf der entsprechenden Seite des LGL.

Eine Nutzung der 3D-Gebäudemodelle erlaubt die Berücksichtigung des Gebäudevolumens und damit der Energiebezugsfläche bei der Modellierung des Wärmebedarfs.

Um die Aussagekraft bezüglich der Gebäudenutzung zu verbessern, wurden weitere  frei zugängliche Datenquellen hinzugezogen, darunter die Daten des Zensus, OpenStreetMap sowie die Basic European Assets Map (BEAM).

Durch die verwendeten Datenquellen konnten fast alle Gebäude mit Wohnraum vollständig identifiziert werden. Im Bereich der Nichtwohngebäude bestehen auch bei den aufbereiteten Daten Defizite in der Qualität und Detailtiefe der Nutzungsschlüssel. Bei vielen Gebäuden, deren Nutzung im Wärmeatlas als "Produktions-, Werkstatt-, Lager- oder Betriebsgebäude" angegeben ist, ist die konkrete Nutzung und demnach auch ihre Relevanz als beheiztes Gebäude im Sinne des Gebäudenergiegesetzes als "unklar" eingestuft.

Das Gebäudealter ist ein wichtiger Faktor für die Abschätzung des Wärmebedarfs eines Gebäudes. Daten hierzu stammen aus Gebäude- und Wohnungszählungen des statistischen Bundesamt aus den Jahren 2011 und 2022. Aus Gründen des Datenschutzes liegen die Daten nur in einem 100 m x 100 m Raster und nicht auf Gebäudeebene vor.

Im Wärmeatlas werden die Gebäude in 11 Baualtersklassen eingeordnet, die in die Berechnung der gebäudespezifischen Energiebezugsfläche einfließen.

Berechnungen und Modelle

Gebäudemodell GEMOD

Die Wärmebedarfsberechnung basiert auf dem vom Institut für Energie- und Umwelttechnik (ifeu) und der Beuth Hochschule Berlin entwickelten GEMOD Gebäudesimulationsmodell. Das Modell orientiert sich an der Wärmebedarfsberechnung nach DIN 4108-6. Berücksichtigt werden unterschiedliche Gebäudegeometrien sowie energetische Ausgangsparameter wie beispielsweise der Wärmedurchgangskoeffizient, Luftwechselraten und die solare Einstrahlung.

Der Wohngebäudebestand wird in die vier Basistypen Ein- und Zweifamilienhaus (EFH), Reihenhaus (RH), Mehrfamilienhaus (MFH) und Großes Mehrfamilienhaus (GMH) eingeteilt. Der Bestand an Nichtwohngebäuden wird in zwölf Basistypen eingeteilt. Außerdem werden die Gebäude in elf Baualtersklassen und die Nichtwohngebäude zusätzlich in Haupt- und Nebennutzungsflächen eingeteilt. 

Mit Hilfe des GEMOD werden Energiekennzahlen zum Nutzenergiebedarf für Raumwärme und Warmwasser bezogen auf die energetische Nutzfläche bzw. Energiebezugsfläche in Abhängigkeit von Gebäudetyp, Baualtersklasse, Klimazone, verschiedenen Sanierungsszenarien sowie bauphysikalischer Kenngrößen berechnet.

Weitere Informationen zum Gebäudemodell GEMOD finden sich hier.

Energetische Typisierung der Gebäudegeometrien

Bevor der Wärmebedarf eines Gebäudes bestimmt werden kann, müssen aus den Datenquellen für den Gebäudetyp (ALKIS, Zensus, OpenStreetMap, BEAM) zuerst die energetischen Gebäudetypen innerhalb der GEMOD-Systematik zugeordnet werden. Dabei wurde klar zwischen Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden unterschieden, eine Betrachtung von Mischnutzungstypen fand nicht statt. Bei einem Gebäude mit mehreren Nutzungen (z.B. Wohngebäude mit Gewerbe im Erdgeschoss) wurde nur die dominierende Nutzung betrachtet.

Tabelle: Ergebnis der energetischen Gebäudetypisierung
Energetischer Gebäudetyp Anzahl Energiebezugsfläche [Mio. m²]
Ein- und Zweifamilienhaus (EFH) 1.428.084 265,0
Reihenhaus (RH) 734.184 102,6
Mehrfamilienhaus (MFH) 412.432 198,0
Großes Mehrfamilienhaus (GMH) 24.227 53,6
Büro-, Verwaltungs- oder Amtsgebäude 38.567 42,3
Gebäude für Forschung und Hochschullehre 1.347 6,2
Gebäude für Gesundheit und Pflege 1.362 10,6
Schule, Kindertagesstätte und sonstige Betreuungsgebäude 17.178 29,4
Gebäude für Kultur und Freizeit 12.944 12,4
Sportgebäude 14.870 17,1
Beherbergungs- oder Unterbringungsgebäude, Gastronomie- oder Verpflegungsgebäude 22.836 25
Produktions-, Werkstatt-, Lager- oder Betriebsgebäude* 171.914 253,2
Handelsgebäude 29.544 48,9
Verkehrsgebäude 2.635 1,1

*GEG-Relevanz einzelner Geometrien unklar

Baustrukturelle Wohngebäudetypen

Wohngebäude wurden, zusätzlich zur energetischen Typisierung, an Hand ihrer Grundfläche, Höhe und Topologie in zehn baustrukturelle Wohngebäudetypen eingeteilt.


Abbildung: Schema der baustrukturellen Wohngebäudetypisierung

Wärmebedarfsberechnung

Zur Berechnung des Wärmebedarfs werden für Wohngebäude und Nichtwohngebäude jeweils zwei unterschiedliche Verfahren angewandt.

Der Wärmebedarf von Nichtwohngebäuden wird mit dem Energiekennzahlenverfahren berechnet. Dazu werden gebäudetyp- und baualtersklassenspezifische Energiekennzahlen aus dem GEMOD verwendet. Außerdem findet eine Einteilung in 15 Klimazonen statt, die nach DIN 18599-10 aus Daten des DWD differenziert werden.

Für Wohngebäude wird das Monatsbilanzverfahren verwendet. Dabei werden aus den Bauteilflächen und Volumina, die aus den 3D-Gebäudemodellen abgeleitet werden und Klimadaten des DWD als Grundlage verwendet. Außerdem wird aus dem Gebäudetyp und der Baualtersklasse der Sanierungszustand abgeleitet. Aus diesen Daten wird in einem an der DIN 4108-6 (GEG) angelehnten Bottom-Up-orientierten Verfahren der Wärmebedarf berechnet. Tendenziell sind die mit dieser Methode ermittelten Werte höher als die mit dem Energiekennzahlenverfahren erhaltenen Werte.

Die im Energieatlas dargestellten Werte für den Wärmebedarf sind verbrauchskalibriert und unabhängig vom eingesetzten Heizungssystem.


Abbildung: Bilanzierungsgrenzen für Nutzenergie, Endenergie und Primärenergie

Im Energieatlas wird die Erzeugernutzwärmeabgabe dargestellt. Dabei wird von einem Verlust von 10 % innerhalb des Gebäudes ausgegangen.

Zuordnung von Gebäuden zu Straßen und Wegen

Gebäuden werden, falls es eine geeignete Straße in der Nähe gibt, bevorzugt dieser zugeordnet. Ist allerdings keine Straße in der Nähe, kann ein Gebäude auch dem nächsten Weg zugeordnet werden.

Wo kann ich mehr über die Methodik erfahren?

Eine detaillierte Modellbeschreibung kann auf der Webseite der Klimaschutz- und Energieagentur (KEA) heruntergeladen werden.