Modellierung

Vorgehensweise

Der Windatlas Baden-Württemberg basiert auf der Kopplung eines Geländemodells mit einem zweistufigen Strömungsmodell zur Simulation der Windverhältnisse.

Als Eingangsdaten wurden ein digitales Höhenmodell mit der Rasterweite 30 m x 30 m für Baden-Württemberg und die angrenzenden Regionen sowie ein Datensatz zur Bodenbedeckung in gleicher Auflösung verwendet. Als wichtige Parameter der Bodenbedeckung gehen unter anderem Waldhöhe und Walddichte in die Berechnung ein. Die Waldhöhe wurde dabei aus der Höhendifferenz errechnet, die aus dem digitalen Oberflächen- und Höhenmodell gewonnen wurde.

Die Simulation der großräumigen Strömungsverhältnisse erfolgte mit Hilfe des Strömungsmodells mc2, implementiert in AnemoScope. Dieses sog. Mesoskalenmodell ermöglicht die Simulation verschiedener Klimasituationen und deren Häufigkeit. Üblicherweise werden diese Modelle zur Wettervorhersage eingesetzt, für die die Abbildung großräumiger Strömungsverhältnisse erforderlich ist. Für diese mesoskalige Modellierung wurde eine Auflösung von 2 km x 2 km gewählt.
Da dieses Modell keine kleinräumigen Strömungsverläufe in komplexen Geländesituationen abbildet, wurde anschließend eine Simulation unter Anwendung eines Mikroskalenmodells durchgeführt. Hierbei kam das CFD Modell Meteodyn WT zum Einsatz. Dieses ermöglicht die Simulation z. B. von Verwirbelungen hinter Bergketten in der erforderlichen Auflösung von 30 m und gleichzeitig ist aufgrund der großen Anzahl von vertikalen Modellschichten eine hohe vertikale Auflösung möglich. Weiterhin verfügt WT über eine detaillierte Waldmodellierung und über die Möglichkeit der Berücksichtigung verschiedener atmosphärischer Stabilitätszustände.

Die Kopplung des Mesoskalenmodells mit einer CFD-Simulation vereint den Vorteil der hohen Auflösung der CFD-Simulation mit der Möglichkeit des Mesoskalenmodells, auch großskalige Wind- und Wettersysteme abzubilden.

Plausibilisierung

Zur Plausibilisierung des Modells sind Messdaten im Bereich der Modellierungshöhen in größtmöglicher Genauigkeit erforderlich. Hierfür kommen Windmessungen, wie sie im Rahmen der Planungen für Windenergieprojekte durchgeführt werden, und Ertragsdaten bereits in Betrieb befindlicher Windenergieanlagen in Frage. Daten meteorologischer Messstationen mit einer Messhöhe von 10 m über Grund können für die Plausibilisierung nicht verwendet werden, da sich die Modellergebnisse auf die geplante Nabenhöhe von Windenergieanlagen beziehen.

Geeignete Daten wurden hauptsächlich über eine Umfrage durch den Bundesverband Windenergie e.V. – Landesverband Baden-Württemberg (BWE – LV BW) zur Verfügung gestellt. Es lagen Datensätze für 200 Windenergieanlagen vor. Weiterhin waren Messdaten aus 69 Windmessungen in Form von Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Temperatur und Luftdruck in 10-Minuten-Zeitschritten für verschiedene Messhöhen verfügbar. Da zur Plausibilisierung langjährige Daten erforderlich sind, wurden die gelieferten Daten unter Verwendung von Reanalysedaten auf den Bezugszeitraum 2003 - 2017 (15 Jahre) langzeitbezogen. Die Verwendung der letzten 15 Jahre gewährleistet, dass mögliche Effekte des Klimawandels weitestmöglich berücksichtigt werden. Nach Zusammenfassung der Datensätze konnten 106 Validierungspunkte verwendet werden.

Weitere Informationen zur Berechnung des Windatlas können dem Bericht Windatlas Baden-Württemberg 2019 entnommen werden. Dort wird das Vorgehen detailliert beschrieben.

 

Unterschiede zum Windatlas von 2011

  • Modellierung
    Neben der unter dem Punkt Vorgehensweise dargestellten geänderten und verbesserten Modellierung durch die Kopplung der Rechenmodelle wurde die horizontale Auflösung von einem 50 Meter Raster auf ein 30 Meter Raster verfeinert. Was auf einer Fläche von 150 m x 150 m im alten Modell durch 3 x 3 Berechnungszellen abgebildet wurde, wird im neuen Windatlas durch 5 x 5 Zellen abgebildet, eine Steigerung um den Faktor ~2,8. Besonders in stark strukturiertem Gelände führt dies zu einer deutlichen Verbesserung des Modells. Weitere Unterschiede liegen in der Berücksichtigung der atmosphärischen Stabilität, in der Verbesserung der Waldmodellierung und der Berücksichtigung von SCADA-Zeitreihen (Betriebsdaten von Windenergieanlagen) zur Plausibilisierung des Modells. Insgesamt konnten für das Modell 106 Validierungspunkte verwendet werden.
  • Bezugsgröße mittlere gekappte Windleistungsdichte
    Als Parameter für die Bewertung der Eignung von Flächen aufgrund ihrer Windhöffigkeit wurde in der Vergangenheit häufig die mittlere Windgeschwindigkeit herangezogen. Da bei diesem Mittelwert jedoch u. a. die Häufigkeitsverteilung verschiedener Windgeschwindigkeiten unberücksichtigt bleibt, wurde im Rahmen der Erstellung des Windatlas 2019 unter Beteiligung des Fachbeirats Windkartierung als Bezugsgröße die mittlere gekappte Windleistungsdichte festgelegt. Der Parameter der mittleren Windleistungsdichte bietet den Vorteil, dass neben der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit auch die Häufigkeitsverteilung und außerdem der Einfluss der Luftdichte in den verschiedenen Höhenlagen in der Berechnung berücksichtigt wird. Da die Geschwindigkeit in der dritten Potenz in die Berechnung der Windenergie einfließt, haben geringe Änderungen der Windgeschwindigkeiten und deren Häufigkeit große Auswirkungen auf die Leistungsabgabe einer Anlage. Da sich die Leistungsabgabe einer Windenergieanlage oberhalb der Windgeschwindigkeit, bei der die Anlage ihre Nennleistung erreicht, dem sog. Nennwind, aus technischen Gründen nicht mehr weiter erhöht, wird bei der mittleren gekappten Windleistungsdichte zusätzlich der Kappungswert der Windgeschwindigkeit von 15 m/s festgelegt. Windgeschwindigkeiten oberhalb des Kappungswertes werden in der Berechnung mit dem Kappungswert angesetzt. Weitere Details zur Modellierung können dem Bericht Windatlas Baden-Württemberg 2019 entnommen werden.

Weiterlesen im Kapitel "Übersicht der ermittelten Kenngrößen"

 

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